Der norwegische Winter ist lang und schneereich – Wintersportfans können sich davon beim Holmenkollen-Skispringen und bei den Alpinski-Weltcupbewerben in Kvitfjell Jahr für Jahr ein Bild machen. Aus Schnee lassen sich Schneebälle formen. Viele Schneebälle ergeben ein Schneeballsystem. Ein solches zu betreiben, wurde Lyoness nun von der zuständigen norwegischen Aufsichtsbehörde attestiert:
Leser dieses Blogs sind bereits darüber im Bilde, dass in Norwegen seit Monaten intensiv gegen Lyoness ermittelt wird. Die zuständige Behörde, wörtlich übersetzt treffenderweise „Lotteriebehörde“ genannt, hat mit Veröffentlichung vom 11.1.2018 eine formelle Entscheidung angekündigt, wonach Lyoness die Tätigkeit in Norwegen untersagt wird. Grund: Die Behörde kam zu dem Ergebnis, dass von Lyoness ein verbotenes Schneeballsystem bzw. Pyramidenspiel betrieben wird. Lyoness kann das Ergehen dieser formellen Entscheidung, die auch Strafanzeigen zur Folge hätte, vermeiden, wenn nun binnen vier Wochen der Betrieb in Norwegen eingestellt wird.
In der 16-seitigen Veröffentlichung, die im Internet unter lottstift.no abrufbar ist (allerdings nur auf Norwegisch), führt die Behörde aus, dass lediglich weniger als 10 % des Umsatzes von Lyoness in Norwegen im Jahr 2016 aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen stammen. Der Löwenanteil des Umsatzes wird durch den Verkauf von Anteilen an „Customer Clouds“ und „Rabattkupons“ erzielt, mit denen der Teilnehmer an künftigen Einkäufen partizipieren können soll. Tatsächlich werden Auszahlungen aber durch das Anwerben von neuen Teilnehmern für das System generiert. Ein klassisches Schneeball- bzw. Pyramidensystem also, das nach § 16 des norwegischen „Lotteriegesetzes“ untersagt ist.
Diese Bestimmung wiederum setzt – wie in der Behördenveröffentlichung auch ausgeführt wird – die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken um. Der Rechtsrahmen ist daher in der EU bzw. im EWR einheitlich. Im österreichischen Recht ist dies in Z. 14 des Anhangs zum UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) umgesetzt: Als „Geschäftspraktik, die unter allen Umständen als unlauter gilt“, wird die „Einführung, Betrieb oder Förderung eines Schneeballsystems zur Verkaufsförderung“ definiert, „bei dem der Verbraucher die Möglichkeit vor Augen hat, eine Vergütung zu erzielen, die überwiegend durch das Einführen neuer Verbraucher in ein solches System und weniger durch den Verkauf oder Verbrauch von Produkten zu erzielen ist“.
Da das Geschäftsmodell von Lyoness weltweit dasselbe ist, ist davon auszugehen, dass auch in Österreich der Großteil des Umsatzes durch die Einführung von neuen Verbrauchern in das System erzielt wird (siehe dazu auch unseren Blogbeitrag „Ist Lyoness bzw. Lyconet ein Schneeballsystem?“). Demgemäß legten schon zahlreiche österreichische Gerichte bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen Lyoness zu Grunde, dass ein Schneeballsystem vorliegt. Bemerkenswert ist, dass die norwegische Behördenveröffentlichung ausdrücklich auch die neue Lyoness-Vertriebsschiene „Lyconet“ als unzulässiges Schneeballsystem ansieht. Dazu sind in Österreich noch keine gerichtlichen Entscheidungen ergangen, es ist aber zu erwarten, dass die österreichischen Gerichte bzw. Behörden zu keinem anderen Ergebnis kommen werden. Auch wer Geld in Lyconet investiert hat, wird dies also mit anwaltlicher Unterstützung zurückerlangen können.